© DAV-Truppe des Finsteraarhorns
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Finsteraarhorn / Hochtourenkurs in der Schweiz

Beeindruckender 4000-er

15.07.2023

Eine Woche Schweiz! Was kann es Besseres geben? Am Samstag, den 15.07.2023 hieß es: Abfahrt 7:30 Uhr in Regensburg mit dem Ziel: Das Finsteraarhorn.


 

Den ersten Teil unserer Woche verbrachten wir im Hotel Tiefenbach am Furkapass. Die Zeit bis zum Abendessen am Ankunftstag nutzten wir direkt als Wiederholung von diversen Knoten, Standplatzaufbau, Seilabbund und Abseilen. Gestärkt mit einem leckeren und sehr reichlichem 3-Gänge-Menü machten wir uns an die Tourenauswahl und -planung. Die Idee war das Üben, Anwenden und Vertiefen des Gehens am gleitenden Seil. Daher brachen wir am nächsten Tag in zwei Gruppen auf unsere ersten Touren auf. Während die eine 4er-Gruppe den Strahlengrat (Schwierigkeit: 4a) meisterte, bewältigten die anderen vier den Schildkrötengrat (Schwierigkeit: 4b). Beide Touren boten die perfekte Gelegenheit, die Technik zu optimieren, Fragen zu stellen sowie sich an neue Seilschaftspartner und -partnerinnen zu gewöhnen. Der ein oder andere lernte auch, gebohrte Haken nicht einfach zu ignorieren und bis zum Gipfel doch ab und zu eine der Sicherungen mitzunehmen… J

Zum Abschluss des Tages bezwangen ein paar von uns sogar noch das berüchtigte Kamel (kurze Kletterei, Schwierigkeit: 6a+). Gleichzeitig hieß es bei der anderen Gruppe: Schuhe aus, Hosen runter und ab in den eiskalten Bergsee! Ein super, erster Tourentag für alle.  

Die tolle Technologie der Elektroautos machte es möglich, dass wir es am nächsten Tag doch noch ohne Tanken zum Parkplatz des Rhonegletschers geschafft haben. Der Plan für den perfekten Sonnentag: Gehen mit Steigeisen, Spaltenbergung mithilfe der losen Rolle, Selbstrettung, Eisschrauben setzen und Eiswände hochpickeln. Da dies eigentlich bei allen lediglich eine Wiederholung aus bereits absolvierten DAV-Kursen darstellte, verliefen die Übungen reibungslos und es konnten sogar Spezialfälle, wie die Rettung einer bewusstlosen Person aus der Spalte inszeniert werden. Tagesfazit: Ein schöner und definitiv sinnvoller Tag auf dem Eis, so dass den Touren der restlichen Woche nichts mehr im Wege stand.

Laut Garminuhr zumindest ein wenig akklimatisiert starteten wir am Dienstag in der Früh in Richtung Grimselpass. Nachdem schwere, dicke Kleidung nochmal durch gewicht- und platzsparendere Ausrüstung ersetzt oder schweren Herzens doch einfach komplett im Auto gelassen wurde, ging es ausgestattet mit Pickel, Steigeisen und Helm Richtung Oberaarjoch, welches bereits vom Parkplatz aus durchgehend sichtbar war. Die ersten Höhenmeter waren für alle kein großes Problem, sodass die Ultraleichtfraktion (Axel und Ludwig) sogar die ersten circa 600hm mit leichten Turnschuhen zurücklegten und mitten auf dem Gletscher ein Schuhdepot einrichteten – für die bisher gesammelten Edelsteine war dort natürlich auch ein guter Sammelplatz.

In dem Joch angekommen, änderte sich das bisher schöne Wetter jedoch schlagartig: Erst Regen, dann Hagel und Gewitter. Weit und breit nur Gletscher zwang unsere Seilschaften zu einer Entscheidung zwischen „An Ort und Stelle bleiben und möglichst klein machen“ oder „So schnell wie möglich weiter absteigen“. Eine Situation, in der sich bei Ludwig wortwörtlich die Haare aufstellten, so aufgeladen war die Luft. Da der Weg über den Gletscher nicht schwierig und relativ spaltenarm war, entschieden wir uns für Letzteres und schafften es schließlich unversehrt bis auf Wasser in den Schuhen und Socken zum Auswinden bis zur Finsteraarhornhütte.

Nach der Katzenwäsche, dem Beziehen unseres Schlaflagers und einem leckeren Abendessen erwartete uns das Highlight des Abends: 10 Minuten Schweizer Wetterbericht. Gebannt richteten alle Hüttengäste ihren Blick auf den Fernseher und lauschten der Vorhersage für die nächsten Tage.

Auch wenn für den folgenden Tag zumindest vormittags noch Regen angesagt war, wollten wir dennoch einen Versuch wagen und brachen daher getrennt in zwei Gruppen zu den Fiescherhörnern und zum Großwannenhorn auf. Doch nach nicht mal einer Stunde zwang uns eine dunkle Wolkenfront und Blitze aus der Ferne zum Rückzug. Leider schafften wir es auch diesmal nicht trocken zur Hütte. Um 8:30 Uhr lagen wir wieder im Bett…

Den restlichen Tag – der dann von blauem Himmel und Sonnenschein geprägt war – nutzen wir also wie viele andere Gäste auch, zum Trocknen der Kleidung, für ein paar Schafkopfrunden sowie zum Erkunden des Gletscherzustiegs für den nächsten Tag und ein paar Selbstrettungsübungen am Felsen.

An diesem Abend um 10 vor 8 gab es hervorragende Nachrichten: ein perfekter Tourentag stand bevor. Damit war klar, dass annährend die komplette Hütte morgen den Gipfel der Gipfel versuchen wird: Das Finsteraarhorn!

Um 4:30 Uhr hieß es „Stirnlampen auf und Abmarsch!“. Ein kurzes Eingehen auf markiertem Weg führte direkt zum ersten aperen Gletscher, den wir aufgrund der Steilheit in den anfänglichen Höhenmetern mit Eisschrauben absicherten. Ein kurzes Stück über Geröll brachte uns zum zweiten, schneebedeckten Gletscher. Wir folgten den zahlreichen Seilschaften hinauf zum Hugissattel und von dort aus weiter am gleitenden Seil in einer schönen Kraxelei zum Gipfel auf 4274m. Wer hätte das gedacht! Für die Hälfte der Gruppe tatsächlich der erste 4000er – und was für einer! Mit Ausblick auf zahlreiche der bedeutendsten Gipfel der Schweiz wie Mönch, Jungfrau, Matterhorn und viele mehr.

Der Abstieg verlief bis auf einen kleinen, aber nicht weiter dramatischen Firnsturz sehr flott und half, die Finger und Zehen des ein oder anderen wieder warm werden zu lassen. Zurück am Gletschereinstieg, ließen alle die Eindrücke des Tages bei grandioser Aussicht auf sich wirken – Emanuel sogar von einem Becken mit Gletscherwasser aus. Alle unversehrt wieder unten an der Hütte angekommen war das Fazit ziemlich eindeutig: Eine perfekte Tour mit dem optimalen Mix aus Bergsteigen, Gletscher, Firn und Kletterei bei grandioser Aussicht. Und um es mit Michaels Worten zu sagen: Das schönste und wichtigste war und ist, dass wir es alle gemeinsam auf den Gipfel geschafft haben. Ein Erlebnis, das uns niemand mehr nehmen kann!

Die Wettervorhersage am Abend ließ uns einstimmig beschließen, dass wir am nächsten Morgen den Abstieg antreten werden (einen Tag eher als geplant). Somit verabschiedeten wir uns Freitagfrüh schweren Herzens von der Finsteraarhornhütte und traten bei bewölktem Himmel den Rückweg an. Wir waren bereits vom Fieschergletscher auf den Galmiggletscher gewechselt und Richtung Oberaarjoch unterwegs, als wir alle ein Déjà-vu erlebten: Gewitter und Schneeregen an der gleichen Stelle wie beim Aufstieg. Fast schon daran gewöhnt gingen wir zügig weiter bis zum Auto und hätten dabei beinahe unser Schuhdepot vom Aufstieg übersehen.

Zurück in der Zivilisation fiel uns die Entscheidung zwischen 15°C und Regen in der Schweiz oder 26°C und Sonne-Wolken-Mix in Kallmünz nicht sonderlich schwer. Daher machten wir uns auf den Heimweg und ließen am nächsten Tag den Kurs mit einem entspannten Kletternachmittag am Grünen Pfeiler ausklingen.

Rückblickend also eine Woche voller Erfahrungen und schönen Erlebnissen mit einer tollen Gruppe und einem noch beeindruckenderen 4000er!

Evi Raum