Plädoyer für mehr Bewegung bei Kindern

09.05.2023

Im Durchschnitt erfüllen nur nur ein Fünftel der Vorschulkinder und weniger als 10% der Kinder im Schulalter die Bewegungsempfehlungen der WHO.

Wäre hätte gedacht, dass ich auch in der ersten Ausgabe des Ausblick 2021 noch immer (oder schon wieder) auf Corona Bezug nehme. Und auch, wenn ich diesmal optimistisch bin, dass sich im ersten Quartal 2021 so einiges wieder in die richtige Richtung wenden wird, da wir mehrere effektive Impfungen zur Verfügung haben werden, so muss ein Plädoyer für mehr Bewegung unserer Kinder dennoch geschrieben werden.

Die positiven Auswirkungen körperlicher Aktivität auf die physische und psychische Gesundheit wurden in den letzten Jahren ausreichend anhand zahlreicher Studien belegt; der Zusammenhang zwischen Bewegung und Gesundheit gilt längst als gesichert. Die globalen Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) geben vor, dass sich Vorschulkinder mindestens 180 Minuten täglich bewegen, nicht mehr als eine Stunde sitzend vor einem Bildschirm verbringen und 10-13 Stunden schlafen sollten. Für Kinder und Jugendliche wird empfohlen, sich mindestens 60 Minuten lang moderat bis intensiv körperlich zu betätigen und nicht mehr als zwei Stunden täglich sitzende Freizeitbeschäftigung zu betreiben; außerdem werden 9-11 Stunden Schlaf empfohlen. Nun hat kürzlich eine Autorengruppe aus China und Australien in fünf Punkten zusammengefasst, warum die Corona-Pandemie und daraus resultierende Bewegungseinschränkungen insbesondere für Kinder fatal sein können [1,2]:

Daten aus der Zeit vor der Corona-Pandemie haben gezeigt, dass im Durchschnitt nur ein Fünftel der Vorschulkinder und weniger als 10% der Kinder im Schulalter die oben aufgeführten Bewegungsempfehlungen erfüllen. Die Autoren nehmen an, dass angesichts des Zusammenhangs zwischen Gesundheitsparametern und Bewegungsverhalten die Gesundheit der Kinder während der Corona-Pandemie noch stärker beeinträchtigt worden ist.

Zudem kann die Zeit des in vielen Ländern geforderten „Zuhause-Bleibens“, vor allem, wenn sie in geschlossenen Räumen stattfindet, zu einem höheren Risiko eines Vitamin-D-Mangels, zu Problemen der psychischen Gesundheit und zu einer zunehmenden Entwicklung von Kurzsichtigkeit führen (die in den vergangenen Jahren ohnehin schon aufgrund geringerer Bewegung draußen bei Tageslicht zugenommen hat).

Obwohl Kinder weniger anfällig für COVID-19-Infektionen bzw. -Erkrankungen zu sein scheinen (unter anderem vermutlich infolge geringer hormoneller Einflüsse und geringerem Einfluss von Hormon-/Androgen-Rezeptoren und assoziierter Faktoren in der Lunge [3]), kann die Aufrechterhaltung oder Steigerung des körperlichen Aktivitätsniveaus ihr Risiko für Atemwegsinfektionen verringern.

Daneben können auch die Ressourcen, die Kindern helfen, mit lebensverändernden Umständen umzugehen (und diese sind u.a. Bewegung und Sport), beeinträchtigt werden.

Letztendlich muss auch berücksichtigt werden, dass die Auswirkungen des individuellen Bewegungsverhaltens verstärkt werden: durch geringere körperliche Aktivität und mehr Zeit am Bildschirm wird wahrscheinlich auch die Qualität des Schlafs beeinträchtigt. Auch kann es längerfristige gesundheitliche Konsequenzen geben, wenn die nachteiligen Verhaltensanpassungen, wie z.B. weniger Aktivität, zum neuen Normalfall würden.

Foto: DAV Hans Herbig
Die Corona-Pandemie verstärkt letztendlich bereits bestehende Probleme. Schon 2017 gab es ein Plädoyer für die Prävention von Bewegungsmangel im Kindesalter durch den Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin: „Nur knapp ein Drittel der Jungen und ein Fünftel der Mädchen bewegen sich täglich eine Stunde. 1950 war das noch anders, da bewegte sich der Deutsche im Schnitt noch 10 km am Tag, jetzt beträgt die Strecke unter 700 m“, schrieb Prof. Engelhardt und forderte konkrete Präventionspläne: „Damit wir unser bewährtes Gesundheitssystem auf hohem Niveau halten können, bedarf es eines Präventionsplans. Dieser sollte mit dem Staat, Kindergärten und Schulen, dem organisierten Sport […] abgestimmt, […] und langfristig angelegt sein.“ [4].

In diesem Sinne sollten wir alle darauf achten und unsere Kinder, Enkelkinder, Schüler, Bekannte dazu anhalten, auf eine ausreichende körperliche Bewegung zu achten (und dies muss in keinem Fall Leistungssport sein, sondern kann auch einfache körperliche Bewegung sein) und diese umzusetzen, und sie dabei unterstützen. Während Kindheit und Jugend wird die Basis für weitere körperliche Aktivität gelegt. Und falls der Hebel (u.a. infolge der Corona-Pandemie aber auch durch andere Ursachen) in die falsche Richtung gedreht wurde, dann müssen wir, wann immer möglich, sobald wie möglich gegsensteuern, um einen langfristigen negativen Einfluss zu verhindern.

Bischoff L. COVID-19 und Bewegungseinschränkungen im Kindesalter. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin. November 2020.

Hongyan Guan H, Okely AD, Aguilar-Farias N, del Pozo Cruz B, Draper CE, El Hamdouchi A, et al. Promoting healthy movement behaviours among children during the COVID-19 pandemic. 2020; 4: 416-418. June 01, 2020. doi: 10.1016/S2352-4642(20)30131-0

Brookman-May Sabine: Re: Androgen-deprivation Therapies for Prostate Cancer and Risk of Infection by SARS-CoV-2: A Population-based Study (n = 4532). Eur Urol. Juni 2020

Engelhardt M. Prävention wird immer wichtiger. Orthopädie und Unfallchirurgie. 2017; 7: 3. doi: 10.1007/s41785-017-0176-7