Sport und Krebserkrankungen

14.02.2023

Die Datenlage ist klar: Sport und körperliche Aktivität sind sinnvollfür Tumorpatienten und sollten daher regelmäßig erfolgen. Körperliche Aktivität kann nicht nur Nebenwirkungen einer Krebstherapie reduzieren und das Wohlbefinden insgesamt verbessern, sondern sogar die Prognose von Patienten verbessern.

Immer wieder höre ich von Krebspatienten, die in meine Praxis kommen, dass ihnen geraten wird, sich nicht körperlich anzustrengen und auf gar keinen Fall Gewicht durch Sport zu reduzieren, sondern sich auszuruhen und – wenn überhaupt auf die Ernährung zu achten – bestimmte Krebsdiäten durchzuführen. Das ist jedoch keinesfalls eine Empfehlung, der Krebspatienten folgen sollten. Dagegen ist die Datenlage klar, dass Sport und körperliche Aktivität sinnvoll sind für Tumorpatienten und daher regelmäßig erfolgen sollten. Körperliche Aktivität kann nicht nur Nebenwirkungen einer Krebstherapie reduzieren und das Wohlbefinden insgesamt verbessern, sondern sogar die Prognose von Patienten verbessern.

Gemeinsam mit weiteren ärztlichen Kollegen der ESOU (EAU Section of Oncological Urology) habe ich kürzlich in einem sog. systematischen Review untersucht, wie modifizierbare Lifestyle-Faktoren wie z.B. Rauchen und Sport das Prostatakrebs-Risiko und die Prognose beeinflussen [Brookman-May S. et a., Latest Evidence on the Impact of Smoking, Sports, and Sexual Activity as Modifiable Lifestyle Risk Factors for Prostate Cancer Incidence, Recurrence, and Progression: A Systematic Review of the Literature by the European Association of Urology Section of Oncological Urology (ESOU). Eur Urol Focus. 2018 Mar 22]. Schaut man sich die verfügbare wissenschaftliche Literatur zu diesem Thema an, wird schnell klar, dass auch mangelnde körperliche Inaktivität ein negativer Faktor für die Entstehung und Prognose von Krebserkrankungen ist. Zahlreiche Studien haben außerdem gezeigt, dass das Krebsrisiko bei körperlich aktiven Menschen reduziert ist und dass regelmäßige körperliche Aktivität durch verschiedene Mechanismen das Risiko für Tumorerkrankungen verringert.

Auch bei Patienten, die an Krebs erkrankt sind, sind Sport und körperliche Aktivität sehr sinnvoll. Wir reden hier nicht nur von gemäßigter Aktivität, wie z.B. Spazierengehen. Auch sportliche Aktivitäten mit höherer Beanspruchung, wie z.B. Joggen, sportliches Radeln, Bergwandern usw., sind überaus sinnvoll und sollten und dürfen regelmäßig erfolgen. In vielen Studien hat sich gezeigt, dass sich die Prognose von Krebspatienten durch körperliche Aktivität deutlich verbessern kann. In einer Studie führten beispielsweise Prostatakrebspatienten über 24 Monate ein Ausdauertraining durch – hierdurch wurde das Fortschreiten der Tumorerkrankung im Vergleich zu einer anderen Patientengruppe ohne aktives Training signifikant verringert. Auch das Wachstum von Knochenmetastasen war deutlich langsamer bzw. wurde teilweise komplett verhindert, wenn Patienten ein gezieltes Aktivitäts-Programm durchführten. Daneben wirkt sich körperliche Aktivität auch auf die Gesundheit und chronische Erkrankungen generell günstig aus und kann damit die Lebenserwartung insgesamt verbessern.

Bisher ist jedoch nicht ausreichend erforscht, welche individuellen Trainingspläne für Krebspatienten am besten sind – d.h. wie oft und in welcher Intensität trainiert werden sollte und welche Sportarten am sinnvollsten sind. Zu dieser Fragestellung werden weiterhin Studien durchgeführt. Bisher zeigen Studien jedoch, dass körperliche Aktivität über mindestens 3-5 Stunden/Woche zielführend ist und die Prognose von Krebspatienten verbessern kann. Und zu körperlicher Aktivität gehört nicht nur ein gezieltes Sport-Trainingsprogramm; auch andere Aktivitäten wie z.B. Gartenarbeit, Hausarbeit, Wandern etc. sind hier anzurechnen. Sinnvoll sind in jedem Fall auch anstrengende körperliche Aktivitäten, solange sich der Patient dabei wohl fühlt. Letztendlich ist dabei alles erlaubt, was Freude macht und je nach Stadium der Tumorerkrankung auch umsetzbar ist. Wichtig ist, dass durch die körperliche Aktivität ein erhöhter Kalorienverbrauch erzielt wird. Dieser kann u.a. durch die Berechnung von sog. MET-Einheiten (metabolic equivalent of task; metabolisches Äquivalent) kontrolliert werden. 1 MET entspricht einem Energieverbrauch von 1 kcal je kg Körpergewicht je Stunde. Was sich kompliziert anhört ist, ist relativ einfach: empfohlen wird, innerhalb einer Woche zusätzlich 15-18 MET-Einheiten zu verbrauchen. Diese können mit Hilfe von Tabellen eingeschätzt werden (siehe unten).

Tanzen4,5

 Tennis7

 Walken, niederige Intensität (ca. 4 km/h), Gehen3

 Walken, moderate Intensität (ca. 5 km/h) 4

 Walken, hohe Intensität (ca. 6 km/h)5

 Wandern6

 Radfahren, niedrige Intensität4

 Wassergymnastik4

 Yoga2,5

 Aerobic Gymnastik8

 Jazz Tanz6

 Mit Tieren spielen, laufend/rennend3

 Mit Kindern spielen, sitzend2,2

Gartenarbeit5

 Küchenaktivitäten allg. (Kochen, Abspülen, mod. Intensität3,3

Lebensmittel einkaufen2,3

 Einkäufe Stufen hinauftragen7,5

 Gemüse ernten, Blumen pflücken3,3

 

Sport und körperliche Aktivitäten

 Sport und körperliche Aktivitäten können das Krebsrisiko reduzieren und die Prognose von Krebspatienten verbessern in mehreren Studien wurde ein deutlicher Benefit durch regelmäßige Aktivität bezüglich des Fortschreitens von Tumorerkrankungen, des Therapieansprechens und der Prognose insgesamt gezeigt

Da körperliche Aktivität und Sport einen generellen positiven Einfluss auf gesundheitliche Probleme und Erkrankungen zeigt, ist es zweifelsohne sinnvoll, einen aktiven Lebensstil auch zur Tumorvorbeugung zu empfehlen

körperliche Aktivität kann zudem auch Nebenwirkungen einer Krebstherapie (z. B. bei Hormontherapie, Chemotherapie) und die sog. Tumorfatigue reduzieren

Bisher ist nicht klar definiert, unter welchen Konditionen Sport prtektiv wirkt (Art, Umfang, Intensität). Individuelle Aktivitätsprogramme und Strategien für die Itegration von Trainingsprogrammen während und nach der Tumortherapie müssen entwickelt werden

Warum und wie wirkt Sport und körperliche Aktivität positiv bezüglich Krebsrisko und Prognose bei Krebspatienten

 Verringerte Inflammation (Entzündungswerte)

Positive Beeinflussung des Immunsystems

Positiver Einfluss auf Hormonspiegel

Verringerung des Körpergewichts und verbesserte Körperzusammensetzung (weniger "schädliches" Bauchfett, mehr Muskelmasse, verbesserte Knochendichte, Reduktion von sog. Fettgewebs-Zytokinen, die das Tumorwachstum ungünstig beeinflussen).

Verringerung des Tumorwachstums, vermehrte Tumorzellzerstörung ("Apoptose"), Anstieg von Genen, die das Tumorwachstum bremsen

 Wer das Ganze professioneller angehen möchte, kann natürlich außerdem zu weiteren Möglichkeiten wie Pulsmessern greifen, um den Kalorienverbrauch noch individueller zu berechnen.

Letztendlich sollten Tumorpatienten körperlich und sportlich alles machen, was Spaß macht und die Lebensqualität steigert - Spazierengehen, Wandern, Bergwandern, auch Bergsteigen und sportliches (Kraft-) Ausdauertraining – es gibt keine generellen Einschränkungen. Und auch Krafttraining darf und sollte sinnvollerweise Bestandteil des alltäglichen Lebens seins.

In diesem Sinne, Eure Sabine

Prof. Dr. med. Sabine D. Brookman-May

Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München Großhadern, Praxis für Urologie Freising